Am Limit im Nationalpark Lauca

24.01.2016 02:59

 

 

23.12.2015 - Unser nächstes Ziel waren Arica und der Nationalpark Lauca. Hier wollten wir die Weihnachtstage verbringen und mit einem Mietwagen den Nationalpark erkunden. Diesmal fuhren wir in einem einstöckigen Bus und hatten die Plätze ganz vorne. Zum Glück, denn so hatten wir wenigstens ein bisschen mehr Beinfreiheit als die anderen. Auch die Sitze ließen sich nicht weit zurückstellen, sodass es eine sehr unbequeme Nacht wurde. Wir hatten Angst, dass uns die Schultergurte bei einer Bremsung erwürgen würden und die Fahrer und Busbegleiter rauchten trotz Rauchverbot im Bus immer wieder heimlich in der extra abgetrennten Fahrerkabine. Da half es auch nicht, dass sie die Vorhänge über die Scheiben zwischen Passagiere- und Fahrerkabine zuzogen, der Rauch zog trotzdem durch. Natürlich wurde wieder ein Film nach dem anderen angestellt. Der erste war Hachiko und wir heulten Rotz und Wasser, denn dieser Film ist immer wieder sehr traurig, auch auf Spanisch. Wie kann man denn so einen traurigen Film im Bus anmachen? Zum Glück saßen wir ganz vorne, sodass nur die beiden Busbegleiter neben uns über unsere Tränchen grinsten. Im Anschluss kam ein Till-Schweiger-Film, auf Spanisch... sehr seltsam^^. Die Klimaanlage war auf sehr kalt gestellt, sodass wir ganz schön froren und Angst hatten, krank zu werden.

Total müde kamen wir morgens um acht in Arica am Terminal an. Wir hatten immer noch keinen Bus nach Lima, daher machten wir uns im Terminal auf die Suche nach einer Verbindung. Man schickte uns zum Internationalen Terminal, welches gleich um die Ecke war. Dort standen ein Haufen Colectivos, also Autos, mit denen man nach Tacna fahren musste (eine Grenzstadt in Peru), um von dort dann weiter durch Peru reisen zu können. Wir wollten aber erstmal noch im Hostel ein bisschen Schlaf nachholen. Dieses hatten wir auch schon im Voraus reserviert und so hatten wir wieder eine prima Anfahrtsbeschreibung und fanden dieses recht schnell. Wir wurden von Ross, einem Neuseeländer direkt auf Englisch begrüßt, wir konnten aber wieder nur auf Spanisch antworten. Uns fällt einfach nix englisches mehr ein. Im Laufe des Gesprächs wurde es aber besser, wobei wir dann alle ein Kauderwelsch aus Spanisch und Englisch sprachen, da kamen dann so Sachen wie "Que nice" und "How much cuesta..." heraus. Als ich später eine Mitbewohnerin nach dem Feuer für den Gasherd in der Küche fragte, fragte ich sie "I`m buscing for fire" (buscar ist Spanisch für "suchen") und sie schaute mich fragend an, bis ich mich dann irgendwann korrigieren konnte.

Im Hostel erhielten wir auch gleich ein Frühstück. Es war ein sehr gemütliches Hostel und alles war weihnachtlich geschmückt. Der Frühstückstisch war gut gedeckt, es gab hausgemachte Marmelade und leckere Brötchen, Müsli, Saft, Käse... sehr lecker. Beim Frühstück lernten wir Robert aus Berlin kennen. Dieser studiert Jura und reist durch Südamerika. Robert erzählte uns, dass die peruanische Grenze nur von 9-12 Uhr geöffnet hat, peruanische Zeit. Nach Peru sind es zwei Stunden Zeitverschiebung, sodass wir noch Zeit hatten. Das hieß aber, wir konnten nun nicht mehr schlafen. Robert wollte mit einer japanischen Bekanntschaft, Aki, nach dem Frühstück einen Colectivo nach Tacna nehmen und wir schlossen uns gleich an, denn so waren wir vier und brauchten keine weiteren Mitfahrer mehr suchen. Am Terminal mussten wir am Eingang 300 Peso (ca. 40 Ct) bezahlen, als Steuer für die Benutzung des Terminals. Wir wurden gleich von Fahrern angesprochen, die aber alle fünf Passagiere suchen... fünf? Und tatsächlich, die Autos hatten vorne drei Sitze. Der dritte war da, wo bei uns die Schaltung ist. Diese befand sich am Lenkrad, denn die Colectivos waren alle schicke alte Autos. Da wir nun zu viert waren, zahlte jeder 5000 statt 4000 chilenische Peso, aber 6€ für eine Fahrt über die Grenze in die 50 km entfernte Stadt Tacna ist schon ok. An der ersten Grenzstation erhielten wir den Ausreisestempel für Chile. Die Schlange war nicht lang und es ging sehr fix. Die meisten waren mit solchen Colectivos unterwegs und es gab wieder viel Papierkram. Jeder Fahrer hatte eine Passagierliste mit den Daten der Mitfahrer, welche ebenfalls gestempelt werden muss. Chilener und Peruaner müssen nur ihren Personalausweis zeigen. Unsere Sachen konnten wir im Auto lassen, aber dieses stand offen auf dem Parkplatz. Aber es war noch alles da. Aber wir werden unsere Taschen ab sofort wieder mitnehmen. Nachdem wir alle nötigen Stempel hatten, ging es im Auto zur nächsten Kontrolle. Unterwegs schaute einer, ob die Passagierliste auch abgestempelt ist. An der peruanischen Grenzstation wurden dann Auto und Gepäck kontrolliert, wir bekamen einen Einreisestempel (unser Pass füllt sich langsam^^) und dann fuhren wir nach Tacna. Dort verabschiedeten wir Robert und Aki, die weiter nach Arequipa wollten. Von unserem Chauffeur erfuhren wir, dass die Grenze den ganzen Tag geöffnet ist, wir hatten also keine Zeitprobleme mehr.

Am Terminal holten wir uns peruanische Soles am Bankautomaten ab (schon wieder eine neue Währung, das verwirrt ganz schön- hier entspricht 1 € 3,7 Soles) und bezahlten die Nutzungssteuer. Das war unnötig, wie wir später feststellen mussten. Nur ein Ticket kaufen gilt nicht als Nutzung, erst wenn man wirklich abreist. Aber das kostete uns 1 Sol, also kein Vermögen. Wir leisteten uns dafür diesmal die Luxussitze. Das kostete uns ganze 8 € mehr, die wir uns gerne leisteten. Insgesamt bezahlten wir 170 Soles. Im Terminal gab es auch einen Bereich, wo man Geld tauschen konnte. Dort standen überall kleine Tischchen mit roten Decken, wo immer eine Person dran saß. Das sah sehr lustig aus, aber wir hatten ja nur unsere Kreditkarten zum Geld holen. Mit unseren Tickets suchten wir wieder einen Colectivo zurück nach Arica (und hatten wieder zwei Stempel im Reisepass). In Arica suchten wir dann etwas schnelles zu Essen und fanden eine Hotdog-Bude. Hier gibt's typisch chilenische Hotdogs: Brötchen, Würstchen, Tomate, Avocado und obendrauf dann optional Mayo und Ketchup. Bis auf das Würstchen finde ich die ziemlich lecker. Und dann konnten wir endlich noch ein bisschen im Hostel schlafen.

Aber nicht zu lange, denn wir wollten uns von El Muro aus den Sonnenuntergang anschauen. El Muro ist ein großer Felsen mitten in der Stadt und prägt das typische Stadtbild von Arica. Leider kamen wir da irgendwie nicht mehr rechtzeitig hin, denn wir wählten den Weg am Strand entlang. Und da gab es viele viele kleine schöne Schneckenhäuser, von denen wir gar nicht genug sammeln konnten. Die Zeit verging dort recht schnell. Aber es war eh bewölkt, von daher haben wir auf El Muro nichts verpasst. Im Zentrum von Arica war alles sehr weihnachtlich geschmückt, es gab sogar einen großen Weihnachtsbaum. Auf einem Parkplatz tanzten Menschen und machten so anscheinend Werbung für ihren Tanzverein. Es waren traditionelle Tänze und sie sprangen und flogen wie Adler über den Parkplatz, so waren sie auch geschmückt. Vielleicht stellten sie aber auch den Anden-Kondor dar.

Am Ufer waren große steinerne Figuren als Tsunamibrecher am Strand verteilt. Wir kletterten ein bisschen auf ihnen herum, sodass wir ungesehen ein Bierchen trinken konnten. Alkohol in der Öffentlichkeit trinken ist in Südamerika nämlich verboten. Wir waren aber nicht die einzigen in den Wellenbrechern. Es war auch ein schöner Platz, man konnte es sich gut bequem machen und auf das Meer blicken. Auf dem Rückweg zum Hostel liefen wir durchs Zentrum. Dort war die Hölle los, alle Menschen schoben sich durch die Geschäfte und über die Märkte, überall konnte man Geschenke einpacken lassen. Auch im Hostel war einiges los. Es waren jede Menge Surfer da, Surferboys mit blonden schulterlangen Haaren, die oberkörperfrei durchs Hostel rannten (stereotypischer ging es nicht) und ein paar Mädels, die einen vorweihnachtlichen Kochabend veranstalteten. Leider in der Küche direkt vor unserer Tür. Aber wir haben ja Oropax.

24.12.2015 - Nach einem sehr leckeren Frühstück holte uns ein Taxi am Hostel ab und brachte uns zum Flughafen von Arica. Laut Hostelbesitzer war das die einzige Möglichkeit zum Flughafen zu kommen. Der Taxifahrer fragte leicht verwirrt, ob wir denn keine Koffer haben. Aber wir wollten ja noch nicht weiter reisen. Am Flughafen wartete wieder eine neue Begleitung auf uns, bei EuropCar. Wir hatten uns wieder ein Auto gemietet, um den Nationalpark Lauca zu erkunden. Bei EuropCar war zum Abholtermin um zehn morgens nur leider niemand da. Die Frau am Nachbartresen (bei der die Parktickets bezahlt werden) meinte, da kommt sicher bald jemand. Aber als viertel elf immer noch niemand da war, rief sie dann die angegebene Nummer an und ein Mitarbeiter war 20 min später da und händigte uns Susi 2 aus. Wir fuhren zurück zum Hostel, kochten Mittag, packten unsere Badesachen und fuhren zu einem Strand etwas außerhalb von Arica, zum Playa Corazones. Dort verbrachten wir den Nachmittag fast ganz alleine. Nur ein sehr betrunkener Typ kam irgendwann vorbei und fragte uns, ob wir Hilfe beim Fotomachen brauchten. Denn wir machten fleißig Fotos für den Weihnachtsblog und posten mit Weihnachtsmütze vor der Kamera mit Selbstauslöser. Wir konnten mal wieder zufällg kein Spanisch und da machte er sich von dannen, da er auch nicht Englisch konnte (zum Glück! Er wollte nämlich auch, dass wir uns zu ihm und seinem Kumpel setzen und Bier trinken).

Später kamen noch ein paar Leute und kletterten auf den Steinen neben dem Strand herum und fanden dort Tintenfische und anderes. Auf dem Rückweg nach Arica fuhren wir einen kleinen Damm zu einem Leuchtturm entlang. Dort schauten wir noch ein bisschen herum und sahen sehr viele Krabben, die sich in den kleinen Felsspalten versteckten. Einen Seeigel entdeckten wir dort auch. Diesen Abend wollten wir uns nun den Sonnenuntergang von El Muro aus anschauen und parkten dort in der Nähe. Dieser war natürlich wieder eingezäunt und am Tor stand, dass dieses bis 19 Uhr geöffnet ist. Wir hatten noch 20 min bis 19 Uhr, den Sonnenuntergang würden wir dann aber verpassen. Wir flitzten schnell auf das Berglein und hatten eine tolle Aussicht auf Arica, den Hafen und die umliegende Landschaft. Alles leuchtete bereits im Abendrot, aber auch heute würden wir keinen Sonnenuntergang aufgrund der Wolken sehen. Auf dem Berg stand eine große Christus-Statue, die ankommende Schiffe begrüßte. Kurz vor 19 Uhr machten wir uns auf den Weg zurück zum Auto, am Tor war aber weit und breit niemand zu sehen, der dieses dann verschließen würde. In einem Minimarkt kauften wir noch schnell ein bisschen ein und kochten uns abends im Hostel Nudeln mit Tomatensoße. Die Küchenbenutzung war ein bisschen umständlich, da die Surfergang ein Weihnachtsgrillen veranstaltete und die Küche in ein blankes Chaos verwandelt hat. Wie am Abend zuvor auch, das musste die Putzfrau am nächsten Morgen dann aufräumen, die arme.

25.12.2015 - Heute ging es in den Nationalpark Lauca. Unser Ziel war das 130 km entfernte und über 3000 m hochgelegene Putre, dort wollten wir die nächsten zwei Nächte verbringen. Problem war, dass die einzigen Tankstellen in der Gegend in Arica waren. Wir mussten also wieder gut auf den Tank achten. Beim Auschecken reservierten wir uns gleich wieder ein Zimmer für den 27. Zum Frühstück erhielten wir von Ross eine kleine Weihnachtstüte mit Süßigkeiten. Wir strahlten wie kleine Kinder, mit Geschenken hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet. Außerdem war das die perfekte Unterwegsverpflegung. Ross gab uns außerdem eine Karte von der Umgebung, was sehr praktisch war, die bei EuropCar hatten nämlich keine Karten für uns. In dieser waren zwar zwei Campingplätze eingezeichnet, nur leider nicht in Putre, aber immerhin in der Nähe. Die Straße schlängelte sich zunächst durch ein grünes Flusstal, welches links und rechts von kargen trockenen Bergen gesäumt war. Irgendwann bogen wir aus dem Tal ab und fuhren an den Bergen hinauf. Auf der Strecke waren viele LKWs unterwegs, da die Straße nach La Paz/Bolivien führt und eine Hauptverkehrsroute für Warentransporte ist. Überall standen vereinzelte Kakteen herum. Bevor wir Putre erreichten, wollten wir einen Campingplatz aufsuchen und bogen so in ein kleines Dorf ab. Die Straße war nun nicht mehr asphaltiert und ich konnte nur im ersten und zweiten Gang fahren, so kamen wir nur sehr langsam voran. Aber es kam und kam kein Ort und irgendwann schalteten wir GPS am Handy ein. Wir mussten feststellen, dass wir falsch abgebogen sind. Denn direkt am Abzweig gingen zwei Straßen ab, das zeigte das Handynavi, in unserer Karte war nur eine Straße abgezweigt. Kein Wunder, dass man sich in der Wüste so schnell verfahren kann. Also tuckelten wir langsam wieder zur Straße zurück und schauten uns den Abzweig an. Und tatsächlich, direkt hinter dem Abzweig von der Hauptstraße ging eine kleine zweite Straße weg, sehr unscheinbar und nicht nochmal ausgeschildert. Wir sind der deutlich auffälligeren Straße gefolgt, die wohl wieder zurück nach Arica geführt hätte.

Caro hatte die Idee, vielleicht direkt zu unserem Hauptziel zu fahren, der Lago Chungará, ein idyllischer See mit einem Vulkankegel im Hintergrund. Und da wir eh einmal wieder nach Arica zum Tanken mussten, konnten wir ja am Playa Corazones zelten, das war dort gestattet. Ich fand die Idee gut und so fuhren wir immer weiter nach oben, an Putre vorbei auf über 4000 m hoch. Wir kauten fleißig Kokablätter und beobachteten die vielen Vicuñas, Alpakas und Guanacos. Als wir am See ankamen und ausstiegen, bekamen wir kaum Luft, unsere Beine zitterten und wir fühlten uns ziemlich schlapp, wegen der dünnen Luft. Man fühlt sich nach wenigen Schritten wie an seiner Belastungsgrenze, man hechelt nach Luft und hat kräftig Herzklopfen. Auf dem Parkplatz fanden wir zu unserer Freude tatsächlich einen Müllkübel mit Mülltrennung. Aber als Caro ihr Taschentuch hinein warf, sahen wir, dass alles in einer Kiste landet...soviel zur Trennung. Da ich mir noch ein paar warme Sachen anzog, lief Caro schonmal vor, kam mir aber bald wieder entgegengerannt, da sie von einer Möwe attackiert wurde ^^. Wir liefen dann langsam vor und die Möwe ließ uns in Ruhe. Am See waren viele viele Vögel und nisteten wohl in den umgebenden Feuchtgebieten. Es nieselte leicht. Im Hintergrund sah man den schneebedeckten Kegel des Vulkans Parinacota. Ein sehr idyllisches Naturschauspiel.

Mittlerweile war es schon sehr spät, wir hatten für die 180 km und ca. 4000 Höhenmeter über 5 Stunden benötigt und wollten ja nun zurück nach Arica. Mittlerweile war es schon halb fünf. Caro fuhr nun zurück und ich machte erstmal ein Nickerchen. Später berichtete mir Caro, dass sie von einem irre rasenden LKW überholt wurde. Sie fuhr mit ca. 90 km/h zwei weiteren LKWs hinterher und wartete auf eine Überholmöglichkeit, bei den vielen Kurven immer etwas schwierig. Sie beobachtete schon eine Weile den LKW im Rückspiegel und wartete lieber, bis dieser vorbei war, da er schon in einem Affenzahn angerauscht kam. Er musste mindestens mit 110 km/h die Kurven hinauf gerast sein. Es gibt schon verrückte LKW-Fahrer. Wir machten noch einen kurzen Halt in Putre, um ein bisschen einzukaufen und fuhren einmal durch das Dorf, welches aber nicht sehr groß war. Während unserer Talfahrt genossen wir mal wieder das wunderschöne Andenpanorama, die vielen kargen Berge, die nur mit Büschen bedeckt waren und in allen möglichen Farben leuchteten. Wieder mal sind wir überglücklich, hier sein zu dürfen und mit unserem Mietauto durch die Anden zu fahren. Das ist schon ein großer Unterschied, ob man in einem Bus durch die Anden fährt oder selber. Wir können anhalten, wo wir wollen, um Fotos zu machen und die Aussicht aus so einem Auto ist auch viel besser.

Unsere Freude wurde jedoch schlagartig getrübt, als wir in einer Kurve plötzlich einen LKW etwas unterhalb neben der Straße liegen sahen. Auf der ganzen Strecke bzw. überall in den Anden liegen Wracks oder Wrackteile von Unfällen, teils weit unten in den Abgründen. Dieser LKW lag auf dem Hinweg aber definitiv noch nicht dort. Als wir ganz um die Kurve herumkamen, sahen wir auch die Polizei, aber keine Ambulanz. Viel konnte sie aber nicht mehr tun, der LKW war komplett ausgebrannt. Der Unfall musste vor wenigen Stunden geschehen sein, er brannte zwar nicht mehr, aber die Hitze spürten wir selbst in unserem Auto, es wurde sehr warm und es roch stark nach Verbranntem. Der Fahrer wird diesen Unfall sicher nicht überlebt haben. Der Schreck saß tief und auf dem ganzen Weg nach unten machten wir uns Gedanken, wie das passiert sein könnte und wie schrecklich das ist. Ob das der rasende LKW von vorher war? Wir versuchten, die schrecklichen Bilder des Unfalls beiseite zu schieben und fuhren jetzt noch vorsichtiger und langsamer die Berge hinab und kamen wohlbehalten in Arica an. Dort erwartete uns ein grandioser Sonnenuntergang. Der Himmel war zwar bedeckt, jedoch war am Horizont ein blauer Streifen, sodass die Sonne unter den Wolken auftauchte und blutrot im Meer verschwand. Wir fuhren zum Playa Corazones, dort waren aber schon viele Leute. Nichts im Vergleich zur der Ruhe am Tag zuvor. Viele Familien hatten anscheinend den ersten Feiertag am Strand verbracht und einige hatten bereits ihre Zelte aufgebaut. Das fanden wir nicht schlimm, so waren wir wenigstens nicht alleine dort. Die meisten fuhren gerade heim, sodass nicht mehr ganz so viel los war. Wir bauten schnell unser Zelt auf und tranken beide einen Becher Wein. Wir schauten auf die riesigen Wellen, die tosend hereinkamen. Heute hätte man dort definitiv nicht baden können. Ich hatte leichte Bedenken wegen Tsunamais ^^. Der Strandstreifen war nicht sehr breit und die Wellen hätten nur ein wenig größer sein müssen, um unser Zelt zu erreichen. Und in Chile wackelt es ja öfter mal, schließlich schiebt sich hier die Nazca-Platte unter die Südmerikanische Platte. Wir ließen vorsichtshalber die Tür vom Außenzelt geöffnet, sodass wir das Meer beobachten können. Das tat ich auch nachts regelmäßig und schlief deswegen nicht so gut. Aber es war trotzdem schön, den Wellen zu lauschen (auch wenn diese zum Schlafen fast zu laut waren).

26.12.2015 - Meine Sorgen waren unbegründet und wir wachten trocken und wohlbehalten am Strand auf. Die Wellen waren immer noch hoch und ein paar Angler versuchten ihr Glück. Als wir ein paar Fotos machten, kam plötzlich ein älterer Herr vorbei, welchen wir schon eine Weile beim Buddeln beobachtet haben. Er präsentierte uns eine aufgeschnittene Plastikflasche voller kleiner Krebse (o.ä.), die er aus dem Sand gebuddelt hat. Wir dachten, er würde die kochen, aber er erklärte uns, dass man diese zum Angeln verwendet. Die Angler da drüben haben ja keine Ahnung vom Angeln, mit ihren komischen künstlichen Ködern. Und dann schüttelte er seinen Becher, sodass die Krebschen darin kräftig zappelten. Er habe übrigens einen Sohn in Deutschland, der ist Anwalt. Und Arica ist nicht gefährlich, Antofagasta schon. Und Santiago. Und Lima. Wollt ihr dahin? Wir nickten fleißig und versuchten zu verstehen, was er uns erzählte. Seine wenigen schlechten Zähne ließen ihn leicht nuscheln und er war eh so ein zähneknirschender Seebär, so wie er aussah. Dann wünschte er uns Glück und marschierte zu den Anglern, "um ihnen zu zeigen, wie man richtig angelt"... was für eine Begegnung ^^. Wir packten unser Zelt zusammen, putzten Zähne, stopften alles ins Auto und fuhren los.

Caro fuhr, ich war wegen meiner sehr unruhigen Nacht noch ziemlich müde. Wir wollten nicht die gleiche, von LKWs befahrene Straße suchen und hatten uns auf der Karte eine alternative Route herausgesucht. Es gab rote Straßen, das waren asphaltierte Straßen. Gelb stand für eine befestigte und gut befahrbare Schotterpiste und weiß waren die Straßen, für die man schon eher einen Pickup haben sollte. Mit unserer Susi 2 wollten wir nur rote und gelbe Straßen fahren. So fuhren wir also eine gelbe Straße hoch in Richtung Putre, sie war zum Teil sogar asphaltiert. Die Landschaft war unbeschreiblich schön. Wir fuhren erst durch eine Einöde, oberhalb eines Tals entlang. Irgendwann schlängelte sich die Straße die Berge hinauf, viele Serpentinen und Kurven, wenig Leitplanken und die Straße war auch nicht sehr breit. Aber es kam ja eh kein Gegenverkehr, ein Auto kam uns an diesem Tag entgegen. Wir sahen viele lustige Kakteen, schöne Bäume und einen Andenhirsch mit Hirschkuh. So fuhren wir den ganzen Tag die Anden hinauf, genossen die Aussicht, die verschiedenen Felsformationen, die Farben der Gesteine und das Autofahren. Diese Nacht wollten wir wieder Wildcampen, diesmal oben in den Anden.

Vorher aber wollten wir nochmal zu der Unglücksstelle des LKWs fahren, das beschäftigte uns doch etwas. Auf dem Weg nach unten lag ein umgekippter Anhänger auf der Straße... ohweh. Hier scheint einiges zu passieren. Dieser Unfall sah aber sehr gimpflich aus und wir hofften das beste für den Fahrer. Der gestern verunglückte LKW lag immer noch am Unfallort und es stank auch immer noch nach Verbranntem. Wir hielten am gegenüberliegenden Straßenrand, gleichzeitig hielt auch ein LKW dort und der Fahrer stieg aus. Caro stellte fest, dass dies nicht der LKW war, welcher sie gestern im Affenzahn überholt hat. Wir standen zunächst schweigend zu dritt vor dem immer noch leicht qualmenden LKW, kamen aber nach einiger Zeit doch mit dem anderen LKW-Fahrer ins Gespräch. Dieser redete die ganze Zeit leise und meinte immer wieder, dass ihn das genauso hätte treffen können, dass dies sein Grab sein könnte und er tot. Ich wusste nicht genau, was ich darauf antworten sollte und meinte, dass weiter oben ja schon wieder ein LKW-Anhänger umgekippt ist. Ja, das ist seiner, meinte er. Ich guckte nicht schlecht, aber er sah ziemlich heil aus. An seinem Arm waren jedoch dicke Narben, vielleicht von früheren Unfällen. Wir merkten nun auch, wie übermüdet der Fahrer ist und er stand wohl sehr unter Schock. Er sei weggenickt und wäre beinahe von der Straße abgekommen, dabei ist sein Anhänger umgekippt. Zum Glück nur der Anhänger, so konnte er in seinem Führerhaus zur nächsten Telefonstation fahren und die Polizei rufen. Wenn er von der Straße abgekommen wäre, hätte das sicher ähnlich ausgesehen, wie der gestrige Unfall. Er erzählte, dass die Fahrer sehr unter Zeitdruck stehen und dadurch viele viele Stunden am Stück fahren, 12 Stunden, 20 Stunden. Die Strecke von Bolivien (La Paz) nach Arica sei noch kurz im Vergleich zu anderen. Wir sahen schon, seit wir in Südamerika angekamen, des Öfteren LKW-Wracks in den Anden, waren aber bisher der Meinung, dass diese aufgrund ihrer rasanten Fahrweise verunglückten. Aber anscheinend ist die häufigere Ursache Übermüdung. Das war erschütternd. Irgendwann kam die Polizei vorbei und nahm ihn direkt mit. Er durfte gar nicht mehr in seinen LKW steigen, den konnte er da stehen lassen (also das Führerhaus). Wahrscheinlich brachten sie ihn in die nächste Ortschaft (Putre?), wo ein Bett auf ihn wartete und er sich erholen und ausschlafen konnte. Wir machten uns auch wieder auf den Weg, schließlich brauchten wir noch einen Schlafplatz.

Wir bogen wieder ab auf die Straße, auf welcher wir uns gestern verfahren haben. Es war alles ziemlich steinig und wir fuhren durch eine Art ehemaliges Abbaufeld (vielleicht Sand) und fanden auch bald eine schöne sandige Stelle für unser Zelt. Da hier in der Nähe der Puma heimisch ist, ergriffen wir einige Sicherheitsmaßnahmen. Wir hatten keine Ahnung, wie sich der Puma gegenüber Menschen verhält. Wir vermuteten, dass er eher scheu ist, aber wenn wir nun gerade in seinem Jagdrevier campen? Laut Karte lebt der Puma weiter oben in den Anden, aber so ganz trauten wir der Karte nicht. Unsere Sicherheitsmaßnahmen sahen wie folgt aus: Als erstes würden wir die Autoalarmanlage auslösen (das testeten wir auch gleich, das ging nämlich super mit dem Autoschlüssel, wie wir ja schon in der Atacamawüste festgestellt haben. Wir hatten nämlich zwei Fernbedienungen: Eine fürs Auto und eine für die Alarmanlage. Hat man die Alarmanlage aktiviert und öffnet das Auto aber mit der normalen Fernbedienung statt mit der Fernbedienung der Alarmanlage, dann löst man die Alarmanlage aus). Außerdem bauten wir das Zelt so dicht am Auto auf, dass wir direkt ins Auto springen können. Ein bisschen mulmig war uns nun schon. Wir tranken beide einen Becher Wein und schauten uns den Sonnenuntergang und das Bergglühen an. Als letzte Vorsichtsmaßnahme holten wir noch den Feuerlöscher aus dem Kofferraum ins Zelt. Das war zu viel, wir wussten, wir würden keine ruhige Nacht haben und morgen hatten wir wieder eine lange Fahrt vor uns. Wir wussten auch, dass wir uns zu viele Gedanken machten und uns morgen selber drüber lustig machen werden. Aber wir packten unser Zelt zusammen, schmissen alles ins Auto und fuhren die kurze Strecke zurück zur Straße. Dort waren immer noch LKWs unterwegs. Direkt an der Kreuzung sollte auch ein Campingplatz sein. Wir fanden niemanden und überlegten, einfach unser Zelt aufzubauen und morgen zu bezahlen. Aber die vorbeifahrenden LKWs machten zu viel Lärm, das wäre ebenfalls keine erholsame Nacht gewesen. Wer weiß, wie lange die noch fahren.

Wir beschlossen, nach Putre zu fahren. Das war noch ein ganzes Stück und es war dunkel, aber dort schlendert garantiert kein Puma herum. Die Straße war super beleuchtet. Neben den normalen Baken an der Seite waren Seiten- und Mittelstreifen mit Reflektoren ausgestattet, sodass die Straße vor uns wie eine Landebahn aussah. Man sah sie auf jeden Fall sehr gut und wir kamen wohlbehalten in Putre an. Natürlich fanden wir im Dunkeln nix gescheites und bauten unser Zelt schließlich auf einem Schuttfeld (vielleicht war es auch ein Parkplatz) auf. Wir parkten Susi 2 so, dass man uns nicht sah, aber Susi 2 war zu klein, um uns gut zu verbergen. Wir waren totmüde und wussten nicht, wie legal das war. Aber als die Polizei vorbeifuhr und nicht hielt, war ich beruhigt und schlief gut. Caro leider weniger, ihr Untergrund war etwas schief. Noch lange hörten wir LKWs vorbeifahren und wir hofften das beste für die Fahrer, dass sie heil an ihrem Schlafplatz oder in Arica ankamen.

27.12.2015 - Wir standen nicht allzu spät auf, bauten alles zusammen und fuhren los. Auch heute wollten wir eine andere (in der Karte gelbe) Strecke zurück nach Arica. Der Tank war noch halb voll und es würde ja viel bergab gehen. Wir mussten erst noch ein Stückchen höher, dann bogen wir auf unsere Strecke ab. Die tolle Aussicht und der gut befahrbare Weg ließ uns kein Stück ahnen, welcher Horror auf uns zukommen wird. Wir erreichten den höchsten Punkt unserer Tour: 5250 m sagte das Schild dort, das GPS gab 4800 m an. Wir fuhren eine Weile diese Schotterpiste entlang, bis wir an den Rand eines wunderschönen bunten Canyons gelangten. Das war einer der schönsten Orte, die wir je gesehen haben. Unten schlängelte sich ein Fluss entlang und die Felsen links und rechts waren alle bunt, die verschiedensten Braun- und Rottöne, grün, grau, blau...wunderschön.

Weniger schön war die Straße, die sich nun in dieses Tal hinabschlängelte. Die Kurven waren sehr sandig und wir würden diese Straße mit unserer Susi 2 definitiv nicht mehr hochkommen. Wenden war auch nicht möglich, also ging es bergab weiter. Im Tal angekommen, standen wir vor dem nächsten Problem: Der Fluss. Natürlich gab es keine Brücke, aber einen Wasserstandspegel, der uns sagte, ob wir durchfahren können oder nicht. Sah man die grüne Markierung, durften alle Autos passieren. Sah man die gelbe Markierung, durften nur Pickups passieren, bei rot durfte niemand durchfahren. Da wir nur das Schild mit der Erklärung sahen, stieg Caro aus und untersuchte den Fluss. Die Pegellatte entdeckten wir auch, aber da war nix grünes, das war direkt im Boden verbuddelt. Aber man hatte eine Straße durch den Fluss gebaut und das Wasser war nur knöchelhoch. Wir beschlossen, durchzufahren. Aber statt nun dem Fluss ins Tal zu folgen, führte die Straße auf der anderen Seite den Canyon wieder hinauf. Links stand der Hang senkrecht über uns und dort hingen jede Menge Steine, die herunterkullern würden. Rechts ragte der Abgrund senkrecht nach unten. Die Straße war sehr schmal und Leitplanken gab es natürlich keine. Gegenverkehr wäre hier sehr ungünstig, aber es kam zum Glück keiner. Wir waren aber sehr froh, oben anzukommen.

Die Freude darüber währte kurz, als wir den Zustand der Straße sahen. Hier konnte man maximal 20 km/h fahren und wir hatten 130 km noch vor uns. Wir mussten noch am gleichen Tag das Auto abgeben, aber es war zum Glück noch genügend Zeit. Wir fuhren eine Zeit lang an einer stillgelegten Eisenbahnstrecke und einer Wasserleitung entlang. Und dann verwandelte sich die eh schon schlechte Straße in einen Alptraum. Ich fasse das mal zusammen: Wir sind 8 h lang mit ca. 20 km/h gefahren, nur im ersten und im zweiten Gang. Entweder, weil die Anstiege so steil waren (definitiv mehr als 45°), dass wir Angst hatten, nicht hochzukommen oder die Gefälle so groß waren, dass wir bergab mit Motorbremse und Intervallbremsung gefahren sind, um auf dem sandigen Kies nicht ins Rutschen zu kommen. Wir fuhren stundenlang solche steilen Wege bergauf und -ab und blieben immer auf einer Höhe von 3800 m. Wir wussten nicht, ob der Weg schlimmer oder besser wird und fuhren stundenlang hinauf und hinab. Einmal blieben wir im Sand stecken, kamen aber mit genügend Schwung aus dem Sandloch heraus. Sandiger sollte es also nicht werden. Diese Strecke kostete uns viele Nerven. Irgendwann war links und rechts ein Abgrund, weil wir auf einem Kamm entlangfuhren, natürlich auch bergauf und bergab. Immer wieder kontrollierten wir die GPS-Daten, aber wir blieben lange auf einer Höhe von 3800 m. Irgendwann musste es doch mal hinunter gehen und wir hatten Angst, wie das aussehen wird. Wir passierten Geisterstädte mit Mülldeponien, deren "Schutzbarrieren" aus Sand vom Wind weggeweht wurden und so der Müll sich langsam ausbreitete. Wir sahen verlassene Bahnstationen. Irgendwann ging es endlich mal nach unten, zwar genauso steil wie vorher, aber es war nicht so sandig und mit der Intervallbremstechnik kamen wir gut unten an (zwar fertig mit den Nerven, aber immerhin heil). Ihr glaubt nicht, wie überglücklich wir waren, als wir nach Stunden Bangen endlich das Meer erblickten. Was für eine Erleichterung.

Da noch genügend Zeit bis zum Abgabetermin bei EuropCar war, fuhren wir zum Hostel, luden unsere Sachen aus und putzten das Auto ein wenig. Das war superstaubig. Viel viel dreckiger als das Auto nach der Atacamawüste. Um Sprit zu sparen, sind wir ohne Klimaanlage gefahren und hatten die Fenster offen. Wir hatten jede Menge Staub aufgewirbelt, der sich auf der Amatur, auf den Sitzen und auf der Karosserie abgesetzt hatte, sodass das Auto ganz braun war. So wollten wir es nicht abgeben. Zum vereinbarten Termin war natürlich niemand bei EuropCar und die nette Frau am Schalter nebenan rief für uns die Servicenummer an. Wir sollten den Schlüssel einfach in die Box werfen. Er fragte noch, ob alles in Ordnung ist und wir sagten ja, aber das Auto ist ziemlich dreckig. So dreckig, dass man die kleine Schramme unten am Heck sicher nicht sieht. Und die Ölflecken, die wir nicht abbekommen haben, gehen sicher auch wieder ab. Die Garantie wurde uns jedenfalls komplett zurück überwiesen :) Wir ließen uns ein Taxi rufen und fuhren zurück zum Hostel. Wir tranken unseren Wein aus und erholten uns so gut wie möglich von dem Nervenkitzel. Niemals war das ein gelber Weg. Niemals!

28.12.2015 - Heute ging es nach Peru. Wir nahmen uns wieder ein Colectivo, fuhren nach Tacna und setzten uns in unsere 1.Klasse-Sitze nach Lima. Die Busse waren sehr lang, viel länger als normale Busse. Und gut schlafen konnten wir auch nicht, weil wir mit 90 km/h die Berge hinauffuhren und auch in den Kurven nicht bremsten. Diesmal hatte sogar ich Angst, dass wir irgendwann im Abgrund liegen, die Fahrweise des Busfahrers sagte uns überhaupt nicht zu. Und wir mussten 20 h in diesem Bus verbringen, bis wir Lima erreichten. Der 3-stündige Bollywoodfilm verkürzte die Zeit etwas, aber es war trotzdem eine lange Fahrt und wir waren heilfroh, in Lima anzukommen. Vor allem Caro. Wir werden uns in Lima nämlich mit Katrin treffen und eine Weile zu dritt reisen.

Grüße aus den Bergen!

Lisa